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Ruhe in Frieden Ivica

Am kommenden Freitag, 6. Mai, hätte Sturms Trainerikone Ivica Osim seinen 81. Geburtstag gefeiert. Es sollte nicht sein, heute, als sein SK Sturm am Schöckl Geburtstag feierte, schied der geliebte Sturm-Coach völlig überraschend in Graz aus dem Leben. Die Fangruppen präsentierten ein Spruchband zu Ehren von Osim und der Himmel lichtete sich das erste Mal an diesem Tag und die Sonne blitzte hervor. Ein paar Minuten später wussten die Anwesenenden auch warum. Osim war und ist für alle Zeiten der „Jahrhunderttrainer“ unseres SK Sturm, eine Legende, die wie aus einer anderen (Fußball-) Welt nach Graz zu Schwarzweiß kam. Die Liebe aller Generationen von Sturmfans ist ihm für alle Zeiten gewiss.

Ivan der Große brach alle Rekorde

Mit seinen Spielern, um nur die wichtigsten nennen – Sidorczuk, Schicklgruber, Goriupp, Tschernischow, Foda, Milanic, Popovic, Posch, Schopp, Schupp, Neukirchner, Prilasnig, Reinmayr, Mählich, Vastic, Mario Haas, Kocijan, Wetl, Martin Hiden, Hopfer, Hörmann, Martens und später Yuran, Fleurquin, Minavand, Korsos, Szabics, Strafner und Co – brach Ivan der Große für Graz, für die Steiermark, ja sogar für Österreich in mehr als acht Jahren und unglaublichen 383 Pflichtspielen alle Rekorde: Drei Champions-League-Teilnahmen, davon einmal sogar der Vorstoß in die „Zwischenrunde“, ins Achtelfinale, das hat kein rotweißrotes Team je erreicht. Dazu zwei Meistertitel, drei Pokalsiege, drei Supercupsiege, vier Vizemeistertitel in den acht Jahren von Juni 1994 bis September 2002, das wird kaum ein Trainer in Österreich je wieder schaffen.

Ivan, der Philosoph

Mit seiner Spielphilosophie überzeugte er Freund und Feind – und noch heute wird jeder seiner Nachfolger an seinen Vorgaben gemessen. Durch seinen Wortwitz und seine Intellektualität machte er Sturm und den Fußball weit über die herkömmlichen Grenzen hinaus zu einer Marke und schaffte die Brücke zur Kunst- und Kulturszene. Unter seiner Führung wurde die Kämpfertruppe Sturm Graz zu einer Mannschaft, die spielerisch in Österreich unerreichbar war. Damit hat er auch ein Generation junger Sturmfans geprägt, die heute wesentlich höhere Maßstäbe anlegen, als die älteren Sturmfans, die noch die alte Kämpfertruppe gewohnt waren. Mit seiner Körpergröße von 1,94 Meter überragte er als Spieler und Trainer die Konkurrenz bei weitem, aber er ist auch vom Intellekt her kein „gewöhnlicher“ Trainer. Nicht zu Unrecht nannte man den Grübler und stets bescheidenen Menschen Osim auch den Philosophen. Immerhin studierte Ivan während seiner ersten Zeit bei Zeljeznicar nach der Matura an der Universität Physik und Mathematik, bis die Profikarriere ihm keine Zeit mehr ließ. Eine Parallele zu seinem 2018 verstorbenen Freund Heinz Schilcher, der an der Uni Graz Chemie studierte.

Ivan privat

Geboren im Ortsteil Grbavica von Sarajewo wuchs er in unmittelbarer Nähe zum Platz des NK Zeljeznicar auf, denn sein Vater – ein Hüne von einem Mann – war Schlosser bei der Eisenbahn. „Strauß von Grbavica“ war sein Spitzname als Regisseur im Mittelfeld – Strauß, weil er mit seinem Spiel so an den Wiener Walzerkönig erinnerte. Und er hatte auch altösterreichische Wurzeln: Sein Großvater stammte aus Ruse bei Maribor, von der heutigen österreichischen Grenze nur acht Kilometer entfernt. Das war in der k.u.k.Monarchie bis 1918 die alte Untersteiermark. Die Großmutter mütterlicherseits stammte aus München. Daher die blonden Haare und sein Rufname „Schwabo“, der Deutsche. Meist wurde er aber Ivica – Spitzname für Ivan – genannt. Ivica Osim war nicht nur ein vom Fußball Besessener, für den das Leben ohne Fußballspiele keinen Sinn machte. Er war auch ein liebevoller Familienvater. Seine Gattin Asima und seine drei Kinder Amar, Zelimir und Irma gingen ihm über alles. Die Trennung von Frau und Tochter während der Belagerung von Sarajewo waren für ihn die furchtbarste Zeit seines Lebens, damals in der ersten Zeit bei Sturm.

Ivan, der Glücksgriff

Die Sturmfamilie ist dankbar, dass der unvergessene Heinz Schilcher Osim im Juni 1994, mitten im Jugoslawien-Krieg, nach Graz in die Gruabn lenken konnte. Schilcher hatte ihn bei seinem Engagement bei Racing Strasbourg kennen und schätzen gelernt. Osim war von 1986 bis Anfang 1992 angesehener Teamchef des alten Jugoslawien, spielte erfolgreich bei der WM 1990 und qualifizierte das Team für die EM 1992. Osim legte das Amt unter Tränen zurück, als die serbische Armee sein Sarajewo angriff. Im Sommer 1992 wäre er um ein Haar bei Rapid gelandet, doch dort bevorzugte man – Glück für Sturm – mit Gustl Starek eine österreichische Lösung. Nach zwei Erfolgsjahren in Athen hatte er Angebote aus ganz Europa. Doch er wollte seiner Familie und seiner Heimat nahe sein. Und so konnte ihn Schilcher nach Graz, in die Gruabn zu einem damals in Europa unbekannten SK Sturm lotsen. Die Steiermark, in der schon sein Großvater lebte, wurde ihm zur Wahlheimat und Graz ist er bis zum Ende treu geblieben. Wiewohl ihm sein Sarajewo ein Herzensanliegen war. Dort war er ehrenhalber Vizebürgermeister und Friedensbotschafter.

Präsident ehrt Osim

Präsident Christian Jauk kam am 1.Mai 2022 die schwerste Aufgabe zu. Bei der 113. Geburtstagsfeier des SK Sturm am Schöckl überbrachte er die traurige Nachricht von Osims Tod an die geschockte Sturmfamilie. In seinem offiziellen Statement ehrt er nicht nur den Trainer, sondern vor allem auch den Menschen Ivan "Ivica" Osim. “Unser Jahrhunderttrainer ist just am Geburtstag unseres Klubs verstorben. Ivica Osim war nicht nur ein großartiger Trainer, sondern auch einer der großartigsten Menschen, die ich kennenlernen durfte. Er war die größte Ikone unseres Klubs und ich werde die vielen gemeinsamen Stunden nie vergessen. Er hat weit über den Fußball hinaus gewirkt und seine Worte werden ewig in uns nachhallen. Die Sturmfamilie verliert einen der bedeutendsten Menschen, die jemals in unserer Mitte weilten. Mein tiefes Mitgefühl gilt seiner Frau, seinen Kindern und seiner gesamten Familie. Ruhe in Frieden, Ivan!“

Ivan auf einen Blick:

Geboren am 6. Mai 1941 in Sarajewo

Der Fußballer:
1959 bis 1970 Zeljeznicar Sarajewo 220 Spiele, 65 Tore
1970 bis 1972 Racing Straßburg 58 Spiele, 16 Tore
1972 bis 1975 CS Sedan 105 Spiele, 16 Tore
1975 bis 1976 Valenciennes 30 Spiele, 1 Tor
1976 bis 1978 Racing Straßburg (mit Heinz Schilcher) 32 Spiele, 4 Tore
Länderspiele für Jugoslawien:16 Einsätze, 8 Tore (damals wurde – wie lange Zeit auch in Österreich – Legionäre nicht ins Team berufen).

Der Trainer:
1978 bis 1986 Zeljeznicar Sarajewo
(zweimal Vizemeister, Pokalfinale, Halbfinale UEFA-Cup)
1986 bis 1991 Teamchef Jugoslawien
(Viertelfinale Weltmeisterschaft 1990, Qualifikation für die EM 1992, durch Kriegsereignisse keine Teilnahme). Rücktritt im Frühjahr 1992, als auf Sarajewo geschossen wird.
1991 bis 1992 Partizan Belgrad (Pokalsieg 1992) neben seinem Amt als Teamchef
1992 bis 1994 Panathinaikos Athen (Vizemeister 1993, Cupsieger 1993 und 1994)
1994 bis 2002 Sturm Graz (Meister 1998, 1999, Pokalsieger 1996, 1997, 1999, Supercupsieger 1996, 1998, 1999, Vizemeister 1995, 1996, 2000, 2002, Cupfinalist 2002, dreimalige Champions-League-Teilnahme)
2003 bis 2006 JEF United in Japan (Ligapokal 2005)
2006 bis 2007 Nationaltrainer Japan (Qualifikation für den Asien-Cup 2007). Auch im fernen Osten waren die Menschen vom Riesen aus dem Westen fasziniert und angetan.

Ivan, der Vielgeehrte

Nach seiner schweren Erkrankung 2007 – Osim lag wochenlang im Koma – lebt er mit seiner Gattin Asima abwechselnd in Sarajewo und in Graz. 2009 wurde er von den Sturmmitgliedern zum Jahrhunderttrainer des SK Sturm gewählt und er ist seit 2017 offizielle Sturm-Legende. 2019 wurde ihm bei der 110-Jahresgala in der Seifenfabrik der allererste „Fritz-Longin-Award“ überreicht. 2021 ehrt ihn der SK Sturm mit einem neu herausgegebenen Ivica-Osim-Bildband mit einleitendem Text von Sturm-Botschafter und Schriftsteller-Papst Gerhard Roth.
1998, nach dem ersten Meistertitel, erhielt Osim das „Goldene Ehrenzeichen“ des Landes Steiermark, 2000 den Josef-Krainer-Preis und er ist Bürger der Stadt Graz. Ein Zitat vom ehemaligen Sportchef der Steirerkrone, Wilfried Silli, im Buch „Ivica Osim, Das Spiel des Lebens“ von Gerald Enzinger und Tom Hofer (2001), in dem sogar der große Pele seinen Freund Osim zum Sechziger hochleben ließ: „Ivan Osim gehört zu Graz wie der Uhrturm. Bis er kam, reichte unser Horizont von der Gruabn bis ins Hanappi-Stadion. Dank ihm sind wir in einige der schönsten Stadien der Welt gekommen. Dank ihm lernten wir, was internationale Klasse bedeutet. Dank ihm hat der steirische Fußball Dimensionen erreicht, von denen wir nicht zu träumen wagten. Und dabei ist Ivan Osim immer ein umgänglicher, bescheidener, großer Mensch geblieben.“

Die gesamte Sturmfamilie verneigt sich vor deinem Leben! Ruhe in Frieden, Jahrhunderttrainer!

Ivan Osim gehört zu Graz wie der Uhrturm. Bis er kam reichte unser Horizont von der Gruabn bis ins Hanappi-Stadion. Dank ihm sind wir in einige der schönsten Stadien der Welt gekommen. Dank ihm lernten wir, was internationale Klasse bedeutet. Dank ihm hat der steirische Fußball Dimensionen erreicht, von denen wir nicht zu träumen wagten. Und dabei ist Ivan Osim immer ein umgänglicher, bescheidener, großer Mensch geblieben.“

Wilfried Silli, Ex-Sportchef Steirerkrone

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