"Für mich gibt es kein Aufgeben"

Jon, weißt du, was ein „alter Hase“ ist? Ja, weiß ich, aber ich bin keiner. Ich bin ein junger Hase!

Am Papier mit Sicherheit, am Feld spielst du allerdings wie ein „alter“: Ruhe am Ball, überlegtes Stellungsspiel, und du triffst (fast) immer die richtige Entscheidung – musst du manchmal beweisen, dass du erst 27 bist? Schon, ja. Manche denken, dass ich älter bin, aber das ist einfach mein Spielstil. So spiele ich, und ich glaube, das ist meine Stärke. Das ist so, seit ich Fußballprofi bin, und so spiele ich jetzt auch hier bei Sturm Graz.

Sturm Graz und Jon Gorenc Stankovič, das scheint von Anfang an irgendwie gepasst zu haben. Hat es sich für dich auch so angefühlt? Ich muss ehrlich sagen, ich habe nicht erwartet, dass alles so gut von Anfang an klappt. Ich bin in einer für mich schwierigen Phase hierhergekommen und hätte nicht gedacht, dass es gleich auf so einem hohen Niveau läuft. Wir haben uns sogar jedes Jahr noch ein Stück steigern können, es läuft richtig super.

Mit Darko Milanič gibt es bei Sturm schon eine slowenische Defensiv-Legende. Die 150 Spiele, die ein Kriterium für das Erlangen des offiziellen Legendenstatus sind, wirst du wohl noch heuer knacken. Was bedeutet das für dich? Das bedeutet mir auch persönlich richtig viel. Das heißt nämlich, ich bin fit und spiele fast jedes Spiel. Das war auch mein Ziel und ist nicht selbstverständlich. Die 150 Spiele noch heuer zu erreichen, wäre natürlich richtig cool, aber auch wenn nicht, bin ich zufrieden. Ich bin jetzt die vierte Saison bei Sturm, war kaum verletzt, und wenn ich nicht gespielt habe, dann meistens wegen einer Sperre.

Bei deiner Präsentation 2020 wurdest du als Innenverteidiger vorgestellt. Von deinen aktuell über 140 Spielen für Sturm hast du bis jetzt allerdings nur neun in der Verteidigung absolviert. Ist Gregory Wüthrich denn so schlimm, dass du gleich eine Reihe nach vor ins Mittelfeld gerückt bist? Als ich hierhergekommen bin, war ich Innenverteidiger. Nach ein paar Spielen hat mich der Trainer auf die Sechs gestellt und bis jetzt hat das ganz gut funktioniert. Das war die Idee von Coach Ilzer. Ich selbst sehe mich einfach als Defensivspieler. Die Offensive zählt jedenfalls nicht zu meinen Stärken!

Technik, Stellungsspiel, Ausstrahlung. Was glaubst du, schätzt der Trainer besonders an dir? Das muss er beantworten. Aber ich glaube, das ganze Paket zusammen.

Und was weniger? Die Schnelligkeit! Aber er sagt, ich bin schnell im Kopf, und das reicht auch!

Stehst du am Platz, wirkt die gesamte Mannschaft stabiler, euer Spiel ist überlegter, strukturierter. Wie schaffst du es, die Mitspieler mit deiner Ruhe „anzustecken“? Schwer zu sagen. Wenn ich sehe, dass mein Mitspieler ruhig am Ball ist, bin auch ich automatisch ruhiger. Und meine Ruhe hilft wieder anderen Mitspielern. Egal in welcher Phase des Spiels, ob wir gewinnen, oder verlieren, ich möchte meine Mitspieler immer pushen, ihnen helfen. So bin ich am Platz, ich versuche immer, mein Bestes zu geben.

Du hast im Fußball schon viel erlebt, hast in Deutschland gespielt und bist in der Premier League aufgelaufen. Was war für dich emotionaler, der Aufstieg mit Huddersfield Town oder der Cup-Sieg mit Sturm? Zweiteres. In England war ich verletzt und konnte nur die erste Saisonhälfte spielen. Die Jungs haben den Aufstieg gefeiert, aber für mich war es schwierig. Ich hatte nicht das Gefühl, viel für den Aufstieg getan zu haben. Für den Titel in Graz habe ich auch gespielt, ich war Teil davon. Es war richtig cool.

Vizemeister, Cuptitel und Siege in der Europa League auf der einen Seite – was waren für dich die bittersten Momente im Sturm-Dress? Wahrscheinlich die Niederlage in Midtjylland. Die Achtpunktegruppe als Letzter zu beenden war echt bitter.

Wir alle lieben es, wenn im Stadion die Stimmung explodiert und 15.000 Schwoaze euch nach vorne peitschen. Was genau braucht es, um eine derartige Atmosphäre zu entzünden? Springt der Funke zuerst von den Fans auf die Mannschaft über, oder von euch Spielern auf das Publikum? Ich denke ein bisschen von beiden Seiten. Wenn wir gut spielen – oder auch, wenn wir nicht gut spielen, aber die Fans sehen, dass wir alles für Sturm Graz geben, dass wir kämpfen –, dann ziehen die mit. Und wenn wir ein bisschen unten sind, oder ein Gegentor kassieren, sind die Fans für uns da, sie pushen uns auch in einer schlechten Phase. Das ist gegenseitig und dafür sind wir alle richtig dankbar!

Einerseits sind Sturm-Fans sehr dankbar, in Graz wächst Euphorie besonders schnell. Andererseits werden dann auch gleich Meisterschaften, Kantersiege und Champions League-Teilnahmen gefordert. Wie geht ihr als Mannschaft mit dem Erwartungsdruck um? Das ist kein großes Thema. Wir wissen, dass immer mehr von uns gefordert wird. Aber wir denken von Spiel zu Spiel und wollen jedes einzelne gewinnen. Das ist unser Mindset und am Ende schauen wir, was dabei rauskommt. Und wenn es zu Saisonende noch um die Meisterschaft geht, wollen wir da natürlich mitspielen.

Das gesamte Interview mit dem defensiven Mittelfeldspieler, der seinen Vertrag bis 2027 verlängert hat, gibt es im neuen SturmEcho 373: "Viel mehr als Tore".