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Eine bemerkenswerte Saison – Part I

Die Spielzeit 2022/23 ging als eine der stärksten der Vereinsgeschichte in die schwarz-weißen Annalen ein. Am Saisonende standen eine historische UEFA Europa League Gruppenphase, der souveräne Vizemeistertitel und der vielleicht emotionalste Cup-Triumph der österreichischen Pokalgeschichte zu Buche – ein Rückblick in zwei Teilen.

Rasmus Højlund traf zum 1:0 gegen Dynamo Kyiv, was die Verlängerung bedeutete. Schlussendlich schied man gegen die Ukrainer aus, wenig später avancierte Højlund zum teuersten Verkauf der Vereinsgeschichte. © GEPA Pictures

Einmal nach Vorarlberg, dann nach Polen und zurück

Wir schreiben den 16. Juli 2022, die Auslosung für die erste Runde im UNIQA ÖFB-Cup bescherte Schwarz-Weiß den SC Röfix Röthis. Ein bis dahin in der steirischen Fußballwelt nahezu unbekannter Verein stellte somit die erste Hürde auf einer der schönsten sportlichen Reisen der vergangenen Jahre dar. An jenem Samstagvormittag triumphierte Sturm vor 1.487 Zuschauer:innen im Stadion an der Ratz klar mit 6:0, Manprit Sarkaria und Rasmus Højlund, der wenige Wochen später zum teuersten Abgang der Sturmhistorie werden sollte, trafen doppelt. Dieser Sieg war der Startschuss für den sechsten Cup-Triumph in der schwarz-weißen Vereinsgeschichte, doch zum damaligen Zeitpunkt wusste noch niemand, welche bemerkenswerten und jetzt schon legendären Spiele im Pokalbewerb noch folgen sollten.

Der Bundesliga-Auftakt eine Woche später verlief nur mäßig nach Plan, man holte beim Wolfsberger AC ein 1:1 Unentschieden und kassierte in persona von Innenverteidiger David Affengruber einen Platzverweis – das Bemerkenswerte daran war jedoch, dass diese gelb-rote Karte der einzige (!) schwarz-weiße Ausschluss auf nationaler Bühne in der Saison 2022/23 blieb. Generell war das Team von Cheftrainer Christian Ilzer äußerst fair unterwegs. In 32 absolvierten Runden erhielt Sturm nur 67 Karten, was den positiven vorletzten Rang in dieser Tabelle bedeutete, zum Vergleich: Der SK Rapid Wien "gewann" dieses Ranking mit ruppigen 88 erhaltenen Karten, fünf Mal musste ein Grün-Weißer Akteur frühzeitig unter die Dusche. Das erste Saisonhighlight folgte wiederum eine Woche später, als ein furioser Rasmus Højlund Meister Red Bull Salzburg mit einem Doppelpack beinahe im Alleingang in die Knie zwang.

Nachdem Sturm in dieser Saison zum back-to-back Vizemeister wurde, trat man auch in der abgelaufenen Saison in der dritten Runde der UEFA Champions League Qualifikation an. Der Gegner hieß Dynamo Kyiv. Die aufgrund der kriegerischen Tätigkeiten in ihrem Land nicht in ihrem Heimstadion agierenden Ukrainer wichen in die viertgrößte Stadt Polens aus, nach Łódź. Nach einer soliden Leistung musste man sich den international sehr erfahrenen "Hausherren" mit 1:0 geschlagen geben. Das Rückspiel in Graz wurde in der regulären Spielzeit mit 1:0 für sich entschieden, in der Verlängerung musste man jedoch Tribut zollen und verlor schlussendlich 1:2. Die internationale Reise sollte wenige Wochen später in der Gruppenphase der UEFA Europa League weitergehen.

Emanuel Emegha erzielte den 1:0 Siegestreffer gegen den FC Midtjylland und sorgte so für den ersten Sieg in einer internationalen Gruppenphase nach über 10 Jahren. © GEPA Pictures

Zweite Cup-Runde, Freude und Leid in Europa

In der zweiten Runde des ÖFB-Cups gastierte der Traditionsklub Austria Salzburg in Graz, nachdem die Mozartstädter aufgrund von Sicherheitsbestimmungen nicht in ihrem Heimstadion in Maxglan antreten konnten. Begleitet von rund 1.500 frenetischen violetten Fans entwickelte sich ein Spiel auf ein Tor, nämlich auf jenes der Gäste. Schlussendlich wurde diese Partie zu einer der stimmungsgeladensten und feurigsten Zweitrunden-Partien in der Cupgeschichte – Sturm gewann mit 3:1. In der Liga pflügte man 4:0 über den SCR Altach hinweg, verlor knapp gegen den LASK mit 0:1, holte beim SK Rapid einen 2:1 Sieg und musste sich trotz 80-minütiger Überzahl vom TSV Hartberg zwei Punkte abtrotzen lassen.

Am Donnerstag, dem 08. September 2022, holte Sturm im Heimspiel durch einen Emegha-Treffer den ersten Sieg in einer internationalen Gruppenphase seit 2011. Drei Tage später erzielte Ivan Ljubic beim 2:0 Auswärtssieg in Klagenfurt eines der schönsten Tore der abgelaufenen Spielzeit, als er knapp außerhalb des Strafraums den Ball mit über 100 Stundenkilometern genau in den Winkel wuchtete. In der darauffolgenden Woche wurde die Euphorie nach dem Auftakt-Heimsieg in der Europa League auf übelste Art und Weise ausgedämpft. Man gastierte bei Feyenoord Rotterdam und musste sich, auch aufgrund der Verkettung unglücklicher Umstände, mit 6:0 geschlagen geben und kassierte sogleich auch die höchste Europacup-Niederlage der Klubgeschichte. National konnte man sich mit einem 2:0 Heimerfolg gegen Lustenau und einem klaren 3:0 Erfolg in Wien-Favoriten sehr gut rehabilitieren.

Otar Kiteishvili sorgte mit seinem Last-Minute-Siegestreffer gegen Feyenoord für einen der emotionalsten Momente der letzten Jahre. © GEPA Pictures

Ein Oktober der Superlative

Vom 02. bis zum 30. Oktober spulten Prass, Wüthrich und Co. ein Programm ab, welches gefühlt aus mehr Pflichtspielen als Trainings bestand. Unglaubliche neun Bewerbsspiele absolvierte Schwarz-Weiß in 28 Tagen, nicht ein einziges Mal (!) verließ man das Feld als Verlierer. Sechs Siege und drei Unentschieden standen schlussendlich auf der Habenseite. Besonders die folgenden Partien sollten in Erinnerung bleiben.

Das Heimspiel gegen Lazio Rom, den Vizemeister der Saison 2022/23 aus Italien, endete mit einem 0:0 Unentschieden, einem Remis der sehr guten Art. Sturm hielt mehr als nur dagegen und war am Sieg ein Stück weit näher dran als die Römer. Eine Woche später gastierte Schwarz-Weiß bei den Biancocelesti. Im altehrwürdigen Stadio Olimpico di Roma geriet Sturm zwei Mal in Rückstand, den William Bøving in seinem wahrscheinlich bisher besten Spiel für die Grazer zwei Mal egalisierte. Der junge Däne zog beide Mal rund um die Strafraumgrenze ab, einmal mit links, einmal mit rechts, zwei Mal war das Spielgerät für Torhüter Provedel im Kasten der Laziali nicht zu halten. Nach dem Schlusspfiff leerte sich das Olimpico relativ schnell, einzig die rund 1.500 mitgereisten Grazer sorgten noch einige Zeit nach dem Abpfiff für eine tolle Stimmung, man feierte sein Team – und das völlig zu Recht. Im Mannschaftsbus fielen auf der Rückreise ins Hotel nach der Partie einige Aussagen wie "vor den Spielen hätte ich zwei Punkte gegen Lazio sehr gern genommen, jetzt ist das vom Gefühl her sogar zu wenig für unsere Leistungen" – ja, das konnte man so unterschreiben.

Dem 2:2 folgten drei Tage später ein 3:2 Heimsieg gegen den WAC, ehe am 19. Oktober das erste Grazer Derby nach 15 Jahren auf dem Programm stand. In der ausverkauften Merkur Arena bezwang man im Achtelfinale des UNIQA ÖFB-Cups den Stadtrivalen knapp, aber verdient mit 1:0. Die Stimmung auf den Rängen und im Vorfeld war hervorragend, halb Fußball-Europa blickte an diesem Tag in die steirische Landeshauptstadt. Albian Ajeti avancierte nach einem Ljubic Assist zum Matchwinner und feierte den Treffer ausgelassen. Der Einzug unter die letzten Acht war perfekt. Es ging Schlag auf Schlag: Wiederum nur vier Tage später stand das zweite Saisonduell mit Red Bull Salzburg an, man gastierte in der Mozartstadt und trennte sich mit 0:0.

Das letzte Heimspiel in der Gruppenphase der UEFA Europa League sollte als eines der emotionalsten und schönsten Spiele der letzten Jahre in die schwarz-weißen Geschichtsbücher eingehen. Feyenoord Rotterdam gastierte in Graz-Liebenau und man hatte mit den Holländern sportlich noch mehr als nur eine Rechnung offen. In einem hitzigen, sowie über weite Strecken hochklassigen Spiel sollte es bis zur 93. Minute dauern, ehe in Liebenau alle Dämme brachen. "Ein ruhender Ball, mehr braucht's gefühlt nicht. Kiteishvili, KITEISHVILI – ICH FASS ES NICHT" – diese Worte von Sky-Kommentator Guido Friedrich beschrieben sehr vieles, was in der Merkur Arena in diesem Moment vor sich ging. Dieser entscheidende Treffer war und ist ein Moment für die seelische Unendlichkeit.

Zum Abschluss des sportlich intensivsten Monats der Vereinsgeschichte wurde die SV Ried mit 2:1 besiegt – neun Spiele, sechs Siege und drei Unentschieden – ein nahezu perfekter Monat.

Das alles entscheidende Gruppenspiel beim FC Midtjylland wurde unglücklich mit 0:2 verloren. So schied man als bester Gruppenletzter aller Zeiten aus der UEFA Europa League aus. © GEPA Pictures

Ernüchterung in Europa, sieglos in der Liga

Die letzten drei Pflichtspiele im Jahr 2022 sollten nicht wirklich nach Wunsch verlaufen. Im alles entscheidenden Gruppenspiel in der UEFA Europa League verlor man beim FC Midtjylland unglücklich mit 2:0 und schied als bestes Schlusslicht aller Zeiten mit acht (!) Punkten aus dem internationalen Geschäft aus. Auf die Europacup-Ernüchterung folgten zwei Auswärtsspiele in der Liga, in Altach sowie beim LASK kam man nicht über ein 1:1 Unentschieden hinaus. Nichtsdestotrotz war der Herbst ein unglaublich erfolgreicher, der mit vielen tollen Momenten in Erinnerung blieb. Die Krönung dieser fantastischen Saison sollte bekanntlich noch folgen.

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