Ein weißhaariger Mann.
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Der Einser-Wagner ist 85

Dreifach-Jubilar Engelbert Wagner: Aufstieg mit dem SK Sturm vor knapp 60 Jahren, vor 75 Jahren Sturm beigetreten und 85. Geburtstag.

Ein Leben in, auf und neben der Gruabn

Drei Jubiläen auf einen Schlag feiert Engelbert Wagner: 85. Geburtstag, vor 75 Jahren Sturm als Spieler beigetreten, vor knapp 60 Jahren letzter Aufstieg Sturms in die oberste Spielklasse. Die Erinnerungen eines Sturm-Spielers, der neben und in der Gruabn aufwuchs.

Bei bester Gesundheit feierte Engelbert Wagner, der „Einser-Wagner“, heuer seinen 85er. Kaum ein Ex-Sturmspieler war und ist mit der Gruabn so verbunden wie er. Sein Leben begann am und auf dem Sturmplatz und noch heute lebt er in seinem Geburtshaus, Ecke Hafnerriegel – Kastellfeldgasse.

In den 1950er- und 1960er-Jahren wurden namensgleiche Spieler nicht mit dem Vornamen sondern mit römischen Ziffern tituliert: Körner I und Körner II bei Rapid, Melchior I und Melchior II bei der Wiener Austria – und eben Wagner I und Wagner II bei Sturm.

Engelbert war schon „immer“ bei Sturm, daher war Helmut Wagner, der 1959 aus Feldkirchen bei Graz zu Sturm kam und dann bis 1971 als Regisseur eine große Stütze wurde, zu seinem Missfallen der Wagner II.

Bomben auf die Gruabn

Aber zurück zu Engelbert: Geboren im Juli 1940, erlebte er als Kleinkind den Bombenkrieg im Haus Hafnerriegel 49, gleich ums Eck lag der Sturmplatz.

„In dem Haus gab es bis zum Krieg die Fleischhauerei Seiser, da waren tiefe Keller als Kühlräume, die uns dann ab 1944 als Schutzräume dienten.“ Die Bombeneinschläge in die Gruabn und in die Wiese, wo 1961 das Studentenheim entstand sowie die Zerstörung des Messegeländes und des Sportklub-Platzes überlebte er als Kleinkind im Keller, das Haus blieb unbeschadet. Und Franz Seiser sollte sein Schicksal werden.

Wagner: „Mein Vater ist 1942 in Russland gefallen, meine Oma war schwer krank. Meine Mutter hatte vier Kinder – drei ältere Schwestern und mich – zu versorgen, musste aber in den Puchwerken arbeiten.“

Schwarz-weiß-Bilder von einer Baustelle.
So sah es in der Gruabn 1950 aus, eine Baustelle … © Sammlung SK Sturm/unbekannt

Als Bub Helfer in der „Gruabn“

Der Sturmplatz und der „gute Geist des Sportklub Sturm“ Franz Seiser, der im selben Haus wohnte, waren gleich nach Kriegsende sein Glück. Seiser, gelernter Fleischhauer und Zimmermann, war ab 1945 neben seinem Beruf Platzmeister bei Sturm und baute in diesen Jahren mit freiwilligen Helfern das Klubhaus aus und schuf ab 1950 für die Staatsliga am Stehplatz-Ost durch Betonplatten Stufen. Anfang der 1950er-Jahre wurde die Grube hinter der Gruabn mit Bombenschutt aufgefüllt, „auch da war ich dabei“. Daraus entstand der alte Trainingsplatz, wo auch später der Messe-Vergnügungspark Station machte. Bis in die 1970er-Jahre half Franz Seiser aus, wenn Platzmeister Sebastian Reingruber verhindert war oder Hilfe brauchte.

Damals zu Beginn der Staatsliga wurde auch der Duschraum in der Gruabn verfliest. Und es gab ein Entmüdungsbecken, für das Warmwasser gekocht wurde – das war noch vor der Fernwärme-Zuleitung 1962. Die Rapidler staunten: „Schau, die G’scherten haben ein Warmbad.“

„Seiser nahm mich mit auf den Sturmplatz, wo ich als Volksschüler am Platz gaberlte und die Künste eines Max Lamot, Otto Denk, Hans Schabus und Hans Gmeindl aufsaugte wie ein Schwamm.“

Eine Fußballmannschaft in weißen Trikots.
1960 feierte Engelbert Wagner (stehend, Dritter von rechts) sein Debüt beim SK Sturm. © Sammlung SK Sturm

Vor 75 Jahren Sturmspieler

1949 war Sturm einziger steirischer Vertreter in der neuen Staatsliga. Unvergesslich für den Neunjährigen, wenn Teams wie Vienna, Austria, Rapid in der randvollen Gruabn – die erst seit Trainer Gerdi Springer, 1968, Gruabn hieß – gastierten. „Die Urgesteine Karl Fiala und Franz Bucher ließen mich bei den Spielen stets beim Eingang Kastellfeldgasse zum Klubhaus rein.“

Als Wagner 1950 zehn Jahre alt war, sah ihn der damalige Jugendtrainer und Ex-Spieler Josef Mikulic auf der Wiese, wo heute das Hochhaus steht, gaberln: „Burli, spielst du schon bei Sturm?“ Als er verneinte, ging Mikulic ins Nachbarhaus zur Mutter, worauf sie mit Vorbehalt zustimmte. Das war exakt vor 75 Jahren.

Wagner: „Beim ersten Training der sogenannten Schüler waren 60 Buben anwesend. Schülertrainer Schrank stand mit Steireranzug, Hut, Pfeiferl und Virginia im Mund an der Mittellinie und kommandierte. Wir trugen englische Kickschuhe mit einer Eisenkappe vorne, die Stoppel drückten nach innen, sodass wir bluteten. Am Sturmplatz war ja bis 1959 ein Löschboden mit Gras nur an den Rändern.“

Mit 13 erhielt Wagner die erste lange Hose, damals als der Hafnerriegel noch eine Schotterstraße war. Gemeinsam mit Kickern des FC Münzgraben – Anfang der 1950er war neben dem Neubau der Kirche noch ein großes Fußballfeld – kam Engelbert 1953 in die Jugend- beziehungsweise Junioren-Mannschaft. Zuerst war Mikulic, ab 1958 Otto Mühlbauer der Trainer. Letzterer setzte auf das ungarische System mit hängendem Mittelstürmer, mit dem Hidegkuti, Puskas und Co damals so erfolgreich waren.

Drei Männer in Fußballkleidung 1970.
Engelbert Wagner (links) einst in der Gruabn mit Franz Reiter Trainer Franz Fuchs. © Sammlung SK Sturm

Mit Legenden wie Reisinger, Fraydl auf Trainingslager

Mit der steirischen Jugendauswahl traf Wagner in Schielleiten auf Ocwirk, Stojaspal, Aurednik und Co, die dort ihre Trainerprüfung ablegten und mit den Burschen arbeiten mussten.

1957 überredete Engelbert Wagner Heli Wagner zum Übertritt zu Sturm, da auch der GAK auf ihn ein Auge geworfen hatte. Auch Gernot Fraydl hätte kommen sollen. „Er war 1957 im Trainingslager in Rijeka gemeinsam mit den Neuen Jarc und Höfler und mit uns Junioren – Schröttner, Peindl, Grilletz, Karner, Reisinger, Finding und mit mir dabei. Trainer Pepi Blum wollte uns aufbauen und beobachten. Damals meinten Mühlbauer und Sektionsleiter Pamich, Fraydl falle zu langsam um. Zwei Jahre später war er der Star beim GAK und bald Nationaltormann. Franz Mikscha war damals unser Stammtormann.“

Wagner weiter: „Unvergesslich war 1958 die Fahrt der Sturm-Junioren zum Pfingstturnier ins neu eröffnete Frankfurter Waldstadion. Wir fuhren im VW-Bus von Walter Radl und hatten unterwegs einen Patschen und einen Achsbruch. Es war eine Weltreise.“ Untergebracht waren die Sturmkicker bei privaten Familien. „Günter Paulitsch wurde bei dem Turnier bester Tormann. Da er als Gastspieler unter falschem Namen spielte, reagierte er gar nicht, als er aufgerufen wurde.“

Als 1958 die Rasenziegel in der Gruabn gelegt wurden, war Engelbert dabei, half die Scheibtruhen zu fahren und die Beregnungsgeräte aufzustellen. Neben dem Lehrberuf zum Dreher bei der Maschinenfabrik Andritz war die Gruabn einfach seine Heimat. Apropos Maschinenfabrik: Wagner hatte als Lehrling einen Kumpel – Hermann Stessl, auch Dreher-Lehrling und in der GAK-Jugend im Einsatz. Mit Stessl schob er Nachtdienst und war dann auch gemeinsam beim Bundesheer. Auch der Tanzboden faszinierte ihn, da er von seinen Schwestern schon als Bub alle Tänze gelernt hatte. „Mit 14 war ich schon ein profitabler Tänzer.“

Zwei Mannschaften laufen auf das Spielfeld.
In dem Haus hinter der Gruabn, Ecke Kastellfeldgasse Hafnerriegel, lebt Engelbert Wagner seit 85 Jahren. © Sammlung SK Sturm/Fischer

Meisterschafts-Debüt vor 65 Jahren

Zu den damaligen Trainern: „Von Otto Mühlbauer und Pepi Blum habe ich viel gelernt. Spitzentrainer war aber der Ungar Janos Szep, der 1960 zum Sturm kam. Ein echter Experte, der leider bald in die Staaten ging. Auch der Ungar Lajos Lörinczy (62/63) war gut, jeder Kicker erhielt von ihm ein dickes Heft mit Taktikplänen und Vorgaben“, erinnert sich Wagner weiter.

Das Debüt in der Meisterschaft feierte Engelbert Wagner im Frühjahr 1960 unter Trainer Ludwig Durek und Sektionsleiter Karl Pamich. Sturm siegte in der Regionalliga Mitte gegen Radenthein mit 4:2 – und Engelbert war neben Neuhold, Tautscher und Reisinger der Torschütze. „Ich kam damals für den verletzten Heli Hauser zum Einsatz, und Otto Mühlbauer hatte seine Karriere beendet. Das alles war schon auf dem neuen Gruabn-Rasen.“

1962 kamen im direkten Tausch gegen Heli Hauser vom GAK die Oldboys Karl Aigner und Erich „Hein“ Sajko zu Sturm. „Für mich waren sie arrogant und eher Fremdkörper“, erinnert sich Wagner. „Sajko kam und meinte, na wie geht`s euch Häfenbrüder – in Anspielung auf Tormann Ullaga, der 1947 bei einem Heimspiel von einem Justizwache-Beamten begleitet wurde. Er hatte wegen einer Schwarzmarktaffäre Arrest und erhielt Ausgang zum Spiel.“

Damals siegte mein fanatischer Gerechtigkeitssinn, ich bot Sajko Paroli und wechselte 1963 mit Doberauer und Karner nach Straßgang. 1966 – ich hatte geheiratet und zwei Buben, Robert und Erich, die beide bei Sturm im Nachwuchs spielten – holte mich Sektionsleiter Karl Sachs nochmals zu Sturm.

Vor knapp 60 Jahren: Sturms letzter Wiederaufstieg

Nach dem Wiederaufstieg wollte man den Kader stärken. „Ich erhielt einen A-Vertrag mit 1000 Schilling Fixum plus Handgeld. Der Wiener Trainer Franz Fuchs, der immer mit der Bahn zu Training und Spielen anreiste, war allerdings nicht sehr motivierend.“

„Da ich beruflich bei der Straßenbahn als Dreher arbeitete und die Familie für mich ganz wichtig war, wechselte ich 1967 zum Grazer Sportklub, wo Pepi Blum wieder mein Trainer war – und Pepi Meszaros der Kotrainer. Gemeinsam schafften wir den Landesliga-Aufstieg.“ Mit Burschi Jarc spielte Wagner noch bei Justiz Graz, dann endete seine aktive Karriere.

Die Gruabn blieb jedoch weiter seine Heimat, da seine Buben Robert und Erich bis herauf zur Unter-20 im Einsatz waren. Und schließlich ist bis heute die Wohnung des jung gebliebenen 85ers, der stets für Gerechtigkeit und Bescheidenheit kämpft, gleich ums Eck des alten Sturmplatzes. Ein Spieler einer Generation aus heute nicht mehr vorstellbaren Fußball-Zeiten.

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